Oasis – von der Gründung zum Comeback der Britpop-Band
Kaum eine Band hat das musikalische und kulturelle Bild Großbritanniens der 1990er Jahre so geprägt wie Oasis. Die Brüder Noel und Liam Gallagher waren nicht nur Aushängeschilder des Britpop, sondern auch Garant für ein Drama, das über Jahre hinweg Boulevard, Fans und Musikkritik gleichermaßen fesselte.
Vom kometenhaften Aufstieg über legendäre Konzerte bis hin zum bitteren Zerwürfnis – Oasis verkörperten alles, was Rock’n’Roll bedeutete. Nun, 30 Jahre nach dem Debütalbum „Definitely Maybe“, feiert die Band ein spektakuläres Comeback – zur Freude ihrer Fans, aber nicht ohne alte Spannungen.
Gründung und frühe Jahre (1991–1993)
Die Ursprünge von Oasis liegen im Arbeitermilieu von Manchester. 1991 schloss sich Liam Gallagher einer Band namens The Rain an, zu der auch Paul „Bonehead“ Arthurs, Paul McGuigan und Tony McCarroll gehörten. Liam brachte bald seinen älteren Bruder Noel ins Spiel, der sich als kreativer Kopf etablierte. Noel übernahm das Songwriting und stellte Bedingungen für seinen Beitritt – darunter volle kreative Kontrolle.
Nach einem Auftritt im King Tut’s Wah Wah Hut in Glasgow wurden sie 1993 von Alan McGee, dem Gründer des Labels Creation Records, unter Vertrag genommen. Die Band benannte sich endgültig in „Oasis“ um – benannt nach einem Veranstaltungsort, der auf einem Poster in Liams Zimmer prangte.
Durchbruch und Britpop-Hochzeit (1994–1996)
1994 erschien das Debütalbum „Definitely Maybe“. Mit Songs wie „Live Forever“, „Supersonic“ und „Cigarettes & Alcohol“ traf die Band den Nerv einer jungen Generation. Oasis wurden in Windeseile zu Superstars. Das Album wurde zum am schnellsten verkauften Debüt der britischen Musikgeschichte.
Der Nachfolger „(What’s the Story) Morning Glory?“ (1995) katapultierte Oasis endgültig in den Olymp der Popkultur. Titel wie „Wonderwall“, „Don’t Look Back in Anger“ und „Champagne Supernova“ wurden zu Hymnen einer ganzen Generation. Besonders legendär: die beiden Konzerte im Knebworth Park 1996, bei denen Oasis vor über 250.000 Menschen spielten – mehr als zwei Millionen hatten sich beworben. Noel Gallagher sagte dazu später: „Wenn wir das heute machen würden, würde es wieder passieren – das war keine Mode, das war eine Bewegung.“
Mit Blur lieferten sie sich den sogenannten „Battle of Britpop“, ein medial aufgeheizter Wettbewerb, wer die erfolgreichere Band sei. Dabei verkörperten Oasis das raue, proletarische Nordengland, während Blur als intellektuelle Londoner galten.
Aufstieg und Rückschläge (1997–2008)
Mit dem dritten Album „Be Here Now“ (1997) erreichten Oasis einen neuen kommerziellen Höhepunkt – das Album wurde innerhalb von drei Tagen eine Million Mal verkauft. Doch Kritiker warfen dem Werk Überproduktion und Größenwahn vor. Noel Gallagher selbst sagte Jahre später: „It’s the sound of a band on cocaine in the studio, not giving a fuck.“
Die folgenden Jahre waren geprägt von Line-Up-Wechseln, durchwachsenen Alben und zunehmenden Spannungen zwischen den Brüdern. Trotzdem schafften es Alben wie „Standing on the Shoulder of Giants“ (2000) und „Don’t Believe the Truth“ (2005), Achtungserfolge zu erzielen. 2008 erschien mit „Dig Out Your Soul“ das letzte Studioalbum der Band – ein solides Werk, das dennoch die kreative Erschöpfung nicht überdecken konnte.
Zerfall und Solojahre (2009–2023)
Der endgültige Bruch kam 2009. Vor einem Auftritt beim Rock en Seine Festival in Paris kam es hinter der Bühne zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen Noel und Liam. „Es war nicht mehr tragbar“, erklärte Noel später. Die Band wurde aufgelöst – abrupt und endgültig.
Beide Brüder widmeten sich ihren eigenen Projekten. Noel gründete „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ und veröffentlichte mehrere erfolgreiche Alben. Liam blieb dem Rock-Sound treu, zuerst mit seiner Band Beady Eye, später als Solo-Künstler. Beide behielten große Fanbasen, aber der Mythos Oasis blieb über allem schwebend.
Vorboten der Reunion (2023–2024)
Gerüchte über eine Reunion gab es über Jahre hinweg. Liam twitterte regelmäßig kryptische Nachrichten („We should give the people what they want“), während Noel öffentlich skeptisch blieb. Doch 2023 kamen erste Zeichen der Annäherung: Noel erschien bei einem Soloauftritt Liams inkognito, Liam widmete ihm einen Song. Ein besonderer Moment war auch der reservierte Sitzplatz in der ersten Reihe während Liams „Definitely Maybe“-Jubiläumstour – mit Namensschild „NG“.
Die Reunion-Tour „Oasis Live ’25“
Planung und Struktur
Im August 2024 dann die offizielle Bestätigung: Oasis kehren zurück – zumindest für eine Tour. „The guns have fallen silent“, schrieb Liam auf Instagram. Die Tour startete am 4. und 5. Juli 2025 in Cardiff mit zwei ausverkauften Stadionkonzerten.
Geplant sind 41 Konzerte auf vier Kontinenten – von Manchester über New York bis São Paulo. Die Besetzung umfasst neben Liam und Noel auch Bonehead, Gem Archer, Andy Bell sowie Joey Waronker (u.a. bekannt durch R.E.M.) am Schlagzeug.
Ticketing-Kontroversen und Fanreaktionen
Bereits vor dem ersten Konzert sorgte die Tour für Aufregung: Das dynamische Preismodell von Ticketmaster führte zu Tickets von bis zu 400 Pfund. Die Competition and Markets Authority (CMA) in Großbritannien leitete eine Untersuchung ein. Noel Gallagher äußerte sich versöhnlich: „We’re trying to keep prices reasonable, especially outside the UK – this tour is for the fans.“
Trotz der Debatte: Die Euphorie ist gigantisch. Fans weltweit feierten das Comeback als „Wunder“, Influencer trugen wieder Parkas im Gallagher-Stil, und Radiosender spielten „Wonderwall“ in Endlosschleife.
Stimmung und erste Shows
Das erste Konzert in Cardiff geriet zur kollektiven Nostalgie-Explosion. „Ich habe auf diesen Moment 25 Jahre gewartet“, sagte Fan Lucy aus Glasgow der BBC. Auch Prominente wie Vernon Kay zeigten sich gerührt. In einem Beitrag auf X (ehem. Twitter) schrieb er: „This is not just music. This is who we were – and who we are again.“
Die Gallagher-Brüder hielten sich auf der Bühne respektvoll auf Distanz, wechselten aber Blicke – und einmal sogar ein halbes Lächeln.
Setlist und Nebenprojekte
Die Setlist bot ein „Best of Oasis“: Von „Rock ’n‘ Roll Star“ über „Don’t Look Back in Anger“ bis „Slide Away“. Das Publikum sang lautstark mit – besonders emotional wurde es bei „Acquiesce“, einem Song, der einst für die brüderliche Verbundenheit stand.
Parallel erscheint am 3. Oktober eine Jubiläumsedition von „(What’s the Story) Morning Glory?“ – mit bisher unveröffentlichten Unplugged-Versionen. Zudem ist ein Konzertfilm in Planung sowie eine Doku-Serie über die Reunion.
Bedeutung und Ausblick
Oasis sind mehr als nur eine Band – sie sind ein kulturelles Phänomen. Sie standen für das Lebensgefühl einer Ära, für Rebellion, für Selbstermächtigung der Arbeiterklasse – und für brüderlichen Zwist. Dass nun, 30 Jahre nach dem Debüt, eine Reunion gelingt, ist nicht nur ein kommerzielles, sondern auch ein kulturelles Ereignis.
Laut The Guardian könnte die Tour der britischen Wirtschaft über 940 Millionen Pfund einbringen. Jeder der Gallagher-Brüder soll schätzungsweise 50 Millionen Pfund erhalten. Doch wichtiger als Geld ist das emotionale Kapital: „Oasis geben uns unser Herz zurück“, schrieb der britische Dichter Simon Armitage.
Ob daraus ein neues Album entsteht? Noch ist unklar. Liam sagte auf der Bühne in Cardiff: „Let’s see how it goes. We might surprise you.“ Noel ergänzte in einem Interview trocken: „Ich schließe nichts aus – aber ich verspreche auch nichts.“
Rockmärchen und
Die Geschichte von Oasis ist ein modernes Rockmärchen: von Manchester in die Welt, vom Höhenflug in den Absturz, von der Trennung zur Wiedervereinigung. Ihre Songs haben Millionen Menschen geprägt, ihre Haltung Generationen beeinflusst. Die Reunion 2025 zeigt, dass Musik Brücken bauen kann – auch zwischen zerstrittenen Brüdern. Und vielleicht ist genau das der größte Triumph dieser Band.
Bildnachweis: Oasis: flickr – Oasis – Angela – Patriot Center, Fairfax VA – CC BY 2.0