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Musikimprovisation in der Ausbildung

An der FH Frankfurt genießt

die Arbeit mit Musik – im Verhältnis zu vielen anderen Fachhochschulen – noch einen gewissen Stellenwert. Im Lehrangebot des Wintersemesters 92/93 finden sich unter 136 Lernbereichs-Seminaren 4 Veranstaltungen, die Musik zum Thema haben:

  • Ein Seminar, das Märchenspiel und musikalisches Erleben als Methode der Gruppenmusiktherapie aufzeigt (LB 2),
  • Zwei Seminare, deren Schwerpunkt auf Rhythmus, Percussion und Körperarbeit liegt (LB 5) und
  • Ein Seminar über musikalische Gruppenimprovisation mit Schwerpunkt auf aktiver Selbsterfahrung (LB 5).

Alle diese Seminare werden von nebenamtlich Lehrenden durchgeführt. Die für den Bereich Musik im Lernbereich Ästhetik und Kommunikation (LB 5) zuständige hauptamtliche Dozentin befand sich im Forschungssemester. Von ihr werden sonst pro Semester etwa 2-3 Seminare zum Thema durchgeführt (Theorie, Einsatz in der Praxis, Selbsterfahrung des Körpers etc.).

In den circa 18 Grundlagenseminaren der Erstsemester ist MI in der Regel kein Thema. Als ich zusammen mit fünf anderen StudentInnen in unserem Einführungsseminar 1991 eine Arbeitsgruppe bildete, die sich im Rahmen einer Berufsfelderkundung mit den verschiedenen kulturtherapeutischen Ansätzen in der sozialpädagogischen Arbeit auseinandersetzte (Werken, Musik, Tanz und Kunst), so war dies nur aufgrund der hohen Teilnehmerzahlen an diesem Seminar, nämlich c. 65 Studenten möglich, und stieß – vor allem bei den beiden Professoren – auf geringes Verständnis oder gar Ablehnung.

In den 26 Projekten des WS 92/93 beschäftigten sich zwei mit Kulturarbeit (sowie eines mit Kunsttherapie). Davon besaß eines eher theoretischen Charakter, während das praktisch orientierte den Schwerpunkt auf Theaterarbeit legte.

Das Angebot im Bereich Musik und Improvisation

wurde ab dem Sommersemester 94 verkürzt. Die den StudentInnen angegebenen Gründe waren notwendige Einsparungen, weswegen die Seminare nebenamtlich tätiger DozentInnen (obwohl diese viel eher eine Verbindung zur sozialpädagogischen Praxis aufweisen können als viele, seit Jahren nur im Lehrbetrieb stehende hauptamtliche DozentInnen) gestrichen wurden, die vor allem den Anspruch wissenschaftlicher Arbeit und Vermittlung sozialpädagogischer Kompetenz angeblich nicht erfüllen konnten. Diese Vorwürfe kamen von einer  bestimmten Gruppe von Dozenten, und ich glaube, daß diese den tatsächlichen Wert kultureller Sozialarbeit und ihrer hochschuldidaktischen Vermittlung, vor allem die Bedeutung der Improvisation für den praktisch arbeitenden Sozialpädagogen, verkennen.

Durch die Proteste der Studenten konnte zumindest das Clownstheater-Seminar, das zwar weniger mit Musik, dafür aber viel mit Improvisation zu tun hat, gerettet werden. Schließlich ist Improvisation, der Umgang mit Unvorhergesehenem, in der Sozialpädagogik – sowohl in der Praxis, als auch im Lehrbetrieb der Hochschule – von großer Wichtigkeit.

In ihrem Buch ‚Soziale Kulturarbeit am Beispiel Musik‘

hat Almut SEIDEL drei Funktionsfelder der Musik in der Sozialpädagogik dargestellt. Als erstes kann sie als Feld zur Einübung berufsbezogener Verhaltensformen dienen. Die sogenannten wissenschaftlichen Fächer des Studiums bergen die Gefahr in sich, die Person des Lernenden vom Lehrstoff zu trennen. Hier kommt den Seminaren des Lernbereichs Ästhetik und Kommunikation eine besondere Bedeutung zu, schließlich werden hier vermittelte Kenntnisse direkt erfahrbar. MI als ein Bestandteil jenes Lernbereichs fördert kognitives, emotionales und soziales Lernen des Studenten.

Zum zweiten eignet sich Musik als Instrument der Informations- und Erkenntnisgewinnung. Durch sie lernt der Student sich selbst kennen und das Übertragen dieser Erkenntnisprozesse auf die sozial-pädagogische Praxis. Musik ist also ein wunderbares Mittel der Selbst- und Fremdwahrnehmung, und MI ein „wichtiges Quasi-Diagnose-Instrument“, dessen sozialpädagogische Wirkung beschrieben wird als Medium und Anlaß zum Aktivwerden und das beim Abbau von Hemmungen und Ängsten, von emotionalen Barrieren, eingefahrenen Verhaltensmustern und schlechten Gewohnheiten helfen kann.

Drittens ist improvisierte Musik ein Teilaspekt sozialer Kulturarbeit gemäß dem Prinzip Animation. Durch Widerspiegelung von Wirklichkeitserfahrungen sowie durch das Aufzeigen neuer Erfahrungs- und Verhaltensweisen dient sie der Persönlichkeitsentfaltung und -entwicklung d.h., sie zeigt den Ist-Zustand eines Menschen oder einer Gruppe und verdeutlicht seine oder ihre Möglichkeiten. Als Nahziele werden die Wichtigkeit, überhaupt (musikalisch) aktiv zu werden, das Sehen minimaler Erfolge und die Beendigung gestellter Aufgaben formuliert. Gerade auch im Hinblick auf die immer stärker werdende Verbindung von Kultur- und Sozialarbeit ist dieser Punkt für den Sozialpädagogen während und nach seiner Ausbildungszeit von Bedeutung.

Loewenherz / Frisbee

Autor: Loewenherz / Frisbee

Mit acht Jahren Klavierunterricht, ab 18 E-Gitarre und Bassgitarre. 1983 erste Band. Erster Tonträger 1989 (MC VenDease live). Lehrer für Bassgitarre. Musik-Journalist beim Fachmagazin "the Bass" (vorher: "Der rasende Bass-Bote") & dem hessischen Musikermagazin Kick'n'Roll. Musik-Projekte in Offenbach und Frankfurt mit Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten. Gesangsunterricht im Bereich funktionaler Stimmbildung nach Lichtenberg und Reid mit Studium klassischer Literatur. Diplomarbeit zum Thema "Musikimprovisation in der Sozialpädagogik". Seit 1996 sporadische Auftritte mit meist improvisiertem Charakter. Bands: Bernstyn, Procyon, Uwe Peter Bande, Ven Dease (Saarland) sowie Reality Liberation Front, PLK, Valis (Frankfurt). Live-Mixer bei Lay de Fear.

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