Artikelformat

Die Schattenseiten des Musik-Streamings

spotify

oder: Ich leihe mir einen Song… und zwar zum Dumping-Preis

Die Streaming-Dienste boomen, immer mehr Menschen konsumieren Musik hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf ihren Mobilgeräten und nutzen dabei das Angebot von Spotify und Co. Seit einiger Zeit rumort es allerdings – die Musiker fühlen sich nicht ausreichend vergütet und immer mehr Künstler wenden sich ab und sperren ihre Songs für das Streaming, jüngstes prominentes Beispiel ist Adele, die ihr neues Album nur auf CD und via Download anbieten wird.

Warum ist das so?

Die Gründe sind der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Der Konsument nutzt einfach das Angebot, das ihm offeriert wird. Er fragt nicht nach Hintergründen und Geschäftsmodellen und unterstellt mit gutem Recht nichts Schlechtes. Deshalb ist eine Aufklärung umso wichtiger.

Was verdienen die Musiker durch Streaming?

Hier halten sich die Anbieter sehr bedeckt. Mit großen Plattenfirmen werden individuelle Verträge ausgehandelt, deren Inhalt nicht öffentlich gemacht wird. Wie die Plattenfirma vergütet wird und was beim Künstler ankommt, ist hier unklar.

Aber was ist mit den vielen independent-Musikern, den kleinen Labels, den sich selbst vermarktenden Künstlern?

Die Streaming-Anbieter haben eine ganze Zeit lang behauptet, es würden zwischen 30 und 40 Cent pro gehörtem Song gezahlt, inzwischen gibt es prozentuale Aufteilungen zwischen den Anbietern und den Rechteinhabern, deren Aufschlüsselung nicht genau bekannt ist. Auf den Abrechnungen der Indie-Musiker tauchen jedenfalls in der Regel nur Beträge von 1 Cent und weniger pro Stream auf. Dass das die Regel sein muss, zeigt auch das folgende Rechenbeispiel.

Eine gängige Flatrate bei Spotify, die unbegrenzten Zugriff auf Millionen von Songs bietet, kostet rund € 10,-/Monat. Dabei kann man unlimitiert Musik hören, solange man die Flatrate zahlt – auch das offline – Hören ist möglich.

Wenn nun ein Hörer eine Stunde Musik am Tag hört, was etwas mehr als 15 Songs entspricht, dann werden an den entsprechenden Künstler – basierend auf oben aufgeführtem Ausschüttungsmodus – etwa € 5,- ausgeschüttet. Das würde bedeuten, dass Spotify ab dem 3.Tag Verlust macht. Die Firmengewinne der Streaming-Dienste sind allerdings ganz und gar nicht im negativen Bereich anzusiedeln und ich wage zu behaupten, dass sie nicht allein durch die Werbeeinnahmen, die durch Werbung bei nicht-Abonnenten geschaltet wird, generiert werden. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Streaming-Dienste ihre Gewinne auf dem Rücken der Künstler generieren.

Die Konsequenzen liegen auf der Hand und sind inzwischen überall spürbar. Immer mehr (auch recht erfolgreiche) Künstler können von ihrer Musik nicht mehr leben und müssen das Handtuch werfen. Die Vielfalt geht verloren, denn als erstes trifft es spezielle Musik, die von Natur aus schon einen kleinen Hörerkreis hat und es stellt sich die Frage, ob junge Nachwuchsmusiker überhaupt noch eine Chance für sich sehen.

Eine Philosophie-Frage

Musik mieten und vermieten ist aus meiner Sicht ein bizarrer Vorgang, der erstens wenig nachhaltig und zweitens noch weniger respektvoll im Umgang mit den Künstlern und der Kunst an sich ist. Ein mit Liebe, Kreativität und nicht zuletzt hohem Zeit- und Finanzeinsatz geschaffenes Produkt hat einen gewissen Respekt verdient. Was würde aus der bildenden Kunst werden, wenn sich die meisten Kunstinteressierten ein Bild nur noch für eine gewisse Zeit und gegen eine äußerst geringe Gebühr (also als gemietetes Objekt) an die Wand hängen würden? Was würde aus der Literatur, wenn Bücher nur noch für einen kleinen Bruchteil des Kaufpreises aus Büchereien geliehen würden, um sie zu lesen? Kunst in jeder Form hat einen Wert und muss, zumindest, wenn ein entsprechendes Interesse an ihr besteht, adäquat vergütet werden. Bei einem Song, dessen legaler und bezahlter Download etwa € 1,- kostet erhält man einen Gegenwert in Form von digitalem Eigentum, der ein Leben lang erhalten bleibt. Man kann nicht behaupten, dass das aus Konsumentensicht in keiner Relation steht. Bei einer CD erhält man sogar ein Gesamtkunstwerk mit Artwork in hoher Audioqualität.

Streaming – wohin geht die Zukunft?

Sollten nun alle Musiker dem Streaming den Rücken kehren und die Anbieter aushungern? Abgesehen davon, dass das wohl nicht passieren wird, wäre es viel sinnvoller, vernünftige Geschäftsmodelle zu entwickeln, die die Künstler angemessen mit etwa 25 Cent / Stream beteiligen. Denn das Streaming bietet auch den Künstlern einige Möglichkeiten. So können Konsumenten auf neue Musik durch Empfehlungen aufmerksam werden, die Musiker ihrerseits können sich neue Zielgruppen und Kundenkreise erschließen. Streaming würde wie eine Art intelligentes, vom Hörer gesteuertes Radio funktionieren, das in letzter Konsequenz dazu führt, dass sich ein Konsument einen Song oder ein Album kauft. Eine hervorragende Möglichkeit, die Flatrate-Modelle zu einem kleinen Preis (allerdings deutlich höher als heute auf Basis einer Beteiligung der Musiker in Höhe von etwa 5-10 Cent / Stream) weiter zu führen, wäre, das Streamen eines bestimmten Songs auf eine maximale Anzahl (mein Vorschlag wäre eine Zahl von 4 Plays) pro IP-Adresse zu begrenzen.

Dann entstünde eine ausgewogene Nutzen-Balance zwischen Anbietern und Künstlern.

Ein persönliches Statement

Ich habe mir bisher nur eine handvoll Songs im digitalen Format via Download gekauft. Gestreamt habe ich noch nie; es ist mir einfach zu wider. Ich brauche ein Booklet in der Hand, ich will Texte lesen und wissen, wer hinter der Musik steckt. Davon kann ich erzählen, mich austauschen und meine Begeisterung weitergeben. Und nicht zuletzt brauche ich SOUND!

Ein Handy, das ich über Bluetooth an minderwertige Lautsprecher mit einer Stereobreite von 5,6cm anschließe bringt mir keinen Genuss. Selbst ein iPod oder ein Computer, angeschlossen an meine Studiolautsprecher reichen mir nicht. Ich möchte kein stark komprimiertes, flach klingendes Audioformat nutzen, wenn ich wirklich Musik hören möchte. Nein, ich brauche wenigstens eine CD. Und das wird auch so bleiben. Und ich versuche nach wie vor, meine Begeisterung für Musik mit anderen zu teilen.

Jens Lueck

Autor: Jens Lueck

Im Alter von drei Jahren begann Jens Lueck Klavier zu spielen, mit sieben unterstützt von klassischem Klavierunterricht. Mit 15 hatte er sein Faible für das Schlagzeug entdeckt und gründete die erste eigene Band. Kurz danach fanden im elterlichen Keller die ersten Homerecording-Sessions statt. Das Home-Studio wuchs mit den Jahren immer weiter und nachdem Jens Lueck kurz nach dem Abitur nach Hamburg gegangen war, wurden in den späten 80er Jahren erste Demos und Platten auch für andere Bands aufgenommen. Von 1990 bis 1992 folgte dann noch eine Ausbildung zum Audioengineer. Seither hat er in seinem Studio unzählige Produktionen als Produzent, Engineer, Studiomusiker, Komponist oder Arrangeur begleitet. Außerdem ist Jens Lueck glücklicher Besitzer des „absoluten Gehörs“.

1 Kommentar

  1. Pingback: Gastbeitrag im Blog eines Kollegen zum Thema Streaming – art of music studio

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.