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Die sozialpsychologische Dimension der Gruppenimprovisation nach Kapteina

GI ist bestimmt durch ein hohes Maß

an persönlicher Betroffenheit bei allen Beteiligten. Für den Spieler gibt es keine Instanz, die sein Spiel bestimmt als nur sein eigenes Wesen. „Das heißt: Wer sich auf die Improvisation eingelassen hat, unterliegt einem unentrinnbaren Prozeß der Offenbarung seiner selbst. Die Art, wie ich meine musikalischen Äußerungen vollziehe, wie ich mit Instrument und Stimme umgehe und wie ich mit den anderen zusammenspiele – diese Art, in der Improvisation musikalisch zu agieren, ist dieselbe Art, wie ich mit mir selbst, mit Gegenständen, Sachen, der Natur und mit anderen Menschen umgehe.“ (KAPTEINA, 1988, 83) Sobald Spieler dies nach einer ersten Phase der Faszination realisieren, reagieren sie gehemmt und ängstlich, weshalb Vertrauen in die Gruppe und den Leiter wichtig sind.

‚Drei Hauptaufmerksamkeitsrichtungen bei Gruppenimprovisationen‘

stellte Johannes Th. ESCHEN 1975 dar:

      „1. auf das ‚Werk‘ und seine ‚Material-Aspekte‘,
       2. auf die Partner, die Gruppe und die ‚Beziehungs-Aspekte‘
       3. ’nach innen‘, auf die Bilder, Worte, Erinnerungen, die uns in, mit und unter dem Improvisieren einfallen.“

Vor allem in der Reflexion ist es wichtig zu unterscheiden, zu welchen der genannten Ebenen Aussagen der SpielerInnen gehören. Zudem ist es Aufgabe des Leiters, die Aufmerksamkeit auf die musikalischen Ereignisse zu lenken und Aussagen wie ‚ich fand’s gut (bzw. nervig)‘ an die genau entsprechenden Stellen der Improvisation festzumachen: was fand ich gut (bzw. nervig)?

Über diesen Weg der Musikanalyse gewinnt der Spieler Einsichten in die eigene Person, die erfahrungsgemäß wegen ihres hohen Wirklichkeitsbezuges große Bedeutung für die weitere Entwicklung, für Wachstum und Veränderung haben. Niemals jedoch stoßen sie den Menschen in Resignation und Verzweiflung, da er diese Einsichten nicht vorgesetzt bekommen, sondern sich selbst erschlossen hat.

„Erkenntnis und Entscheidung zur Veränderung gehören in der GI zusammen, und das nächste Stück, das gespielt wird, ist der Beweis dafür, daß Veränderung grundsätzlich möglich ist; es vermittelt dadurch den Mut und die Kraft, auch im Alltag Veränderungen anzugehen.“ (KAPTEINA, 1988, 85)

Positive Fähigkeiten und Eigenschaften

können natürlich von den Spieler entdeckt werden. Aber es zeigen sich auch immer Widerstände gegen die Entdeckung seiner selbst. Dies geschieht, wenn an seelischen Konflikten gerührt wird, die der Betreffende im Moment noch nicht zu bearbeiten vermag. Zu einem späteren Zeitpunkt kann es allerdings einer bewußteren Bearbeitung zugänglich werden, deshalb ist das Tempo, in dem jeder Spieler seine persönliche Thematik bearbeitet, zu respektieren.

Diese Selbsterfahrungsarbeit darf nicht losgelöst betrachtet werden, denn: „Die GI vollzieht sich stets zugleich als Kunstpraxis, Musik lernen und Selbsterfahrung.“ (KAPTEINA, 1988, 87)

Loewenherz / Frisbee

Autor: Loewenherz / Frisbee

Mit acht Jahren Klavierunterricht, ab 18 E-Gitarre und Bassgitarre. 1983 erste Band. Erster Tonträger 1989 (MC VenDease live). Lehrer für Bassgitarre. Musik-Journalist beim Fachmagazin "the Bass" (vorher: "Der rasende Bass-Bote") & dem hessischen Musikermagazin Kick'n'Roll. Musik-Projekte in Offenbach und Frankfurt mit Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten. Gesangsunterricht im Bereich funktionaler Stimmbildung nach Lichtenberg und Reid mit Studium klassischer Literatur. Diplomarbeit zum Thema "Musikimprovisation in der Sozialpädagogik". Seit 1996 sporadische Auftritte mit meist improvisiertem Charakter. Bands: Bernstyn, Procyon, Uwe Peter Bande, Ven Dease (Saarland) sowie Reality Liberation Front, PLK, Valis (Frankfurt). Live-Mixer bei Lay de Fear.

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