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Musiker, kommst Du nach Frankfurt…

veröffentlicht in der Kick’n’Roll Nr. 10, Dezember 95

Die Geschichte von einem der auszog, um in Frankfurt zu musizieren. Ein Erfahrungsbericht mit bescheidenen Tips samt einem Exkurs über besondere musikalische Biotope…

Nicht nur,

daß der eine oder andere geneigte Leser dieser Stadt den Rücken kehrt, da ein Angebot lockt oder er einfach nur flüchten will, nein, immer wieder fallen auch suchende Horden ein. Eine Völkerbewegung von angehenden StudentInnen, Angestellten und anderen obskuren Objekten kürt sich die Mutter der Illusionen zum Tummelplatz. Dabei tragen manche von ihnen seltsame Teile bei sich, mit denen sich auf die eine oder andere Weise akustische Phänomene hervorrufen lassen. Doch wohin mit ihnen?

Nein, es geht nicht um die Wohnraumproblematik. Es geht darum, wie wir Zugezogene, die wir meist ohne unsere Band und allein kommen, musikalischen Anschluß finden. Ich hörte schließlich, daß sogar Einheimische Schwierigkeiten haben sollen, ein befriedigendes Musikalleben zu führen.

Vor etwas über fünf Jahren

stand auch ich am Hauptbahnhof, mit umgehängtem Gig-Bag, voller Träume und Unwägbarkeiten. Frankfurt schien mir nach Berlin die Hochburg des Bassspiels zu sein, ich war freier Mitarbeiter von „the Bass“, doch der entschlummerte und die wenigen Kontakte waren unfruchtbar. Zuhause, 250 Kilometer entfernt, hatte ich einen Namen, doch den kannte hier keiner. Also, wo anfangen?

Da gibt es Aushänge

bei Musikhändlern oder in Kneipen. Manche mögen dadurch ihre Band gefunden haben, aber mich sprach nichts an. Also kaufe ich mir das Inserat, neben den GruSuMu-Rubriken in diversen Stadtzeitungen eine gute Möglichkeit, musikalischen Anschluß herzustellen. Doch kann es wie in meinem Fall geschehen, daß Du nach einer Einarbeitungszeit schließlich auf Tour in einem fremden Land feststellen mußt, daß der Gitarrist ein alter Sack ist, mit dem Du einfach nicht kannst. Zum Selbst-Aktiv-Werden, beispielsweise durch das Aufgeben einer eigenen Annonce, war mir die Lust erstmal vergangen. Manch einem hat gerade das allerdings geholfen.

Meine Rettung war

die StudentInnen-, speziell die Wohnheimszene, eine geballte Ladung meist zugezogenen kreativen Potentials. Session und Proben, die in winzigen Räumen stattfanden, in den Mensa oder der Bar, im Treppenhaus, auf der Dachterasse oder gar im Aufzug. Als Einwanderer ist es halt besonders schwierig, an einen richtigen Proberaum zu kommen. Manche von uns krochen in Jugendhäusern unter, andere schnupperten in der Bunkerszene rum, lernten langsam Frankfurt kennen. Eigentlich auf Wohnungssuche las ich im Inserat schließlich ein solches, welches genau mich meinte. Ich fand eine tolle Band, interessante einheimische MitmusikerInnen, doch schnell kam der Knockout: kein Proberaum mehr, das alte Spiel.

Je nach bevorzugter Musikrichtung

gibt es Kneipen und Auftrittsorte, wo mensch beim dritten Guiness mit dem Thekennachbar ins Gespräch kommt und sich irgendwann herausstellt, daß sich hier zwei verwandte musikalische Seelen getroffen haben. Erst die menschliche, dann die musikalische Annäherung; der umgekehrte Weg wie bei Annoncen – und oft auch der befriedigendere.

Eine hervorragende Möglichkeit

aktiv zu werden, besteht darin, Lokalitäten aufzusuchen, in denen gejammt wird. Gerade im Dreikönigskeller tut sich einiges, doch habe ich erlebt, daß es sehr schwierig sein kann, hier zum Zuge zu kommen. Im Sommer ergeben sich Sessions in den Parks, wobei ich bei Open Airs auf wesentliche offenere Leute gestoßen bin. Überhaupt – jeder scheint hier sein eigens Süppchen zu kochen, und gleichzeitig ist Frankfurt doch ein Dorf, wo sich viele untereinander kennen. Im Grunde kaum ein Unterschied zu kleinstädtischen Szene, aus der ich komme. Nur tragen hier viele Kinn und Nase ein Stück höher, sind oberflächlicher und abweisender.

Mit der Zeit

wächst mensch hinein. Meine „Generation“ hat das Wohnheim in der Nordweststadt verlassen und sich über Frankfurt und Umgebung verteilt. Was mit dem Horse Badorties Liebeschor, den 23 Lunatic Aliens, den Snailwatchers On The Moon und PiLaKa begann, treibt nun als The Orange, Lay de Fear, Reality Liberation Front und Projekt Egomania sein Unwesen. Manche sind zu Bands wie Souldrive oder Tinnitus Mask gestoßen. Die Zugezogenen sind heimisch geworden.

Der Autor selbst

ist durch seine damalige Freundin in einer Proberaum-Session im Jugendcafé Oberursel gelandet, hat dadurch geniale Musiker und mittlerweile eine Band gefunden, luxuriöserweise gar mit Proberaum. Und der amerikanische Traum hat sich auf hessisch erfüllt: Vom „Migranten“ zum Kick’n’Roll-Redakteur. Also verzagt nicht!!

Loewenherz / Frisbee

Autor: Loewenherz / Frisbee

Mit acht Jahren Klavierunterricht, ab 18 E-Gitarre und Bassgitarre. 1983 erste Band. Erster Tonträger 1989 (MC VenDease live). Lehrer für Bassgitarre. Musik-Journalist beim Fachmagazin "the Bass" (vorher: "Der rasende Bass-Bote") & dem hessischen Musikermagazin Kick'n'Roll. Musik-Projekte in Offenbach und Frankfurt mit Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten. Gesangsunterricht im Bereich funktionaler Stimmbildung nach Lichtenberg und Reid mit Studium klassischer Literatur. Diplomarbeit zum Thema "Musikimprovisation in der Sozialpädagogik". Seit 1996 sporadische Auftritte mit meist improvisiertem Charakter. Bands: Bernstyn, Procyon, Uwe Peter Bande, Ven Dease (Saarland) sowie Reality Liberation Front, PLK, Valis (Frankfurt). Live-Mixer bei Lay de Fear.

1 Kommentar

  1. Ich bin Musiker, der gerade nach Frankfurt zieht , hab noch keine Wohnung wärre auch ok in einen Proberaum oder einen Bunker zu ziehen na egal , man siht sich „bestimmt“

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