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Gabi Mohnbrot Superstar?

veröffentlicht in der Kick’n’Roll Nr. 10, Dezember 95

Von einem Rockwettbewerb, allerhand Versprechungen, noch mehr Träumen und wie all das in Erfüllung ging – oder auch nicht. Oder schließlich doch?


Die Geschichte beginnt damit, daß ein Mensch vom Bundesministerium für Verkehr eine Idee hatte: Man könnte doch mal Rockbands zum Wohle der Verkehrssicherheit einsetzen, dachte sich der Mann. Schließlich hätten solche Musikgruppen – nicht zuletzt, weil sie selbst ständig auf Achse sind – einiges mit dem Autoverkehr zu tun. Und wie ließe sich der wohl unfallgefährdetste Bevölkerungsteil, nämlich die Jugendlichen, besser erreichen als mit Rockmusik.

Gesagt, getan: Nach der Ausschreibung wurden zehn Bands ausgewählt, die sich in einem deutschsprachigen Song mit dem Thema Verkehrssicherheit auseinandersetzten. Dazu wurde von einem Videoteam ein Clip gedreht, der schließlich im vergangenen September bei VIVA als Hintergrund eines Interviews mit der jeweiligen Band lief. Pro Woche wurden drei bis vier Clips gezeigt und jeweils ein Wochensieger ermittelt. Danach wählte das Publikum aus diesen Wochensiegern den Gesamtgewinner. Als Preise winkten ein Festival-Gig sowie die Produktion eines professionellen Videoclips, der anschließend bei VIVA laufen sollte. Der Gesamtsieger sollte zusätzlich als Support für eine bekannte deutsche Band engagiert werden.

Mit von der Partie war auch die Frankfurter Gruppe Gabi Mohnbrot. Obwohl die Band in letzter Zeit verstärkt unter ihrer Gabi-Wolke zu leiden hatte, die dafür sorgte, daß es bei Live-Konzerten aus Kübeln schüttete oder zeitlich zu eigenen Gigs große Konkurrenzveranstaltungen stattfanden, wurden die Jungs mit ihrem Song „Kilometerfresser“ zunächst Wochen- und schließlich Gesamtsieger.

Der Fluch der Gabi-Wolke schien bereits besiegt, da meldete sich diese um so eindrucksvoller zurück. Denn plötzlich war da ein neuer Mensch im Ministerium, und der hatte, als es um die Einlösung der zuvor versprochenen Preise ging, das Projekt kurzerhand auf Eis gelegt. Okay, es kam zu Promo-Gigs. Doch Auftritte beim Verkehrsministerium und während der IAA konnten die Band nicht so recht von irgendeinem Öffentlichkeitswert überzeugen. Begeisterter zeigte sich die Gruppe da schon von ihrem Gig beim Kölner Ringfest anläßlich der PopKomm und einem – selbstinitiierten – Konzert im Sinkkasten. Auch die CD „Bands auf Tour“ war mittlerweile erschienen, doch die „Ausschüttung“ der Gewinne blieb aus.

Während man auf Seiten der Frankfurter Rocker bereits gerichtliche Schritte in Erwägung zog, wendete sich das Blatt erneut. Plötzlich wurde nicht nur das Tourversprechen eingelöst, das Gabi Mohnbrot immerhin 10 Gigs als Vorgruppe der Kölsch-Rocker „Brings“ garantiert. Zusätzlich sollen die Wochensieger ein Konzert im Kölner E-Werk bestreiten, das vom WDR aufgezeichnet werden soll.

Geplatzt ist dafür der lukrativste Preis, nämlich das professionelle Video, das den Bands zwar am meisten gebracht hätte, aber wohl auch der kostspieligste Posten des gesamten Gewinnpakets gewesen sein dürfte. Trotzdem: nachdem die Gabi-Wolke inzwischen bereits gewaltige Dimensionen angenommen hatte, herrscht bei den Jungs derzeit wieder Sonnenschein. Mit einer Neuauflage der Aktion „Rücksicht kommt an“ ist allerdings nicht zu rechnen. Ist vielleicht auch besser so. Die Bands könnten überfahren werden.

Loewenherz / Frisbee

Autor: Loewenherz / Frisbee

Mit acht Jahren Klavierunterricht, ab 18 E-Gitarre und Bassgitarre. 1983 erste Band. Erster Tonträger 1989 (MC VenDease live). Lehrer für Bassgitarre. Musik-Journalist beim Fachmagazin "the Bass" (vorher: "Der rasende Bass-Bote") & dem hessischen Musikermagazin Kick'n'Roll. Musik-Projekte in Offenbach und Frankfurt mit Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten. Gesangsunterricht im Bereich funktionaler Stimmbildung nach Lichtenberg und Reid mit Studium klassischer Literatur. Diplomarbeit zum Thema "Musikimprovisation in der Sozialpädagogik". Seit 1996 sporadische Auftritte mit meist improvisiertem Charakter. Bands: Bernstyn, Procyon, Uwe Peter Bande, Ven Dease (Saarland) sowie Reality Liberation Front, PLK, Valis (Frankfurt). Live-Mixer bei Lay de Fear.

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